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saint martin du canigou

Ein schöner Tagesausflug in die Pyrenäen ist die Fahrt zur Abtei Saint Martin du Canigou. Die Abtei Saint-Martin-du-Canigou (katalanisch Sant Martín del Canigó) liegt 1094 Meter hoch am Westhang in knapp halber Höhe des 2785 Meter hohen Pic Canigou in den französischen Pyrenäen im Rous­sillon, etwa 55 Kilometer westlich von Perpignan. Die Anlage liegt auf einem von steilen Felsabstürzen umgebenden Plateau. Sie ist nur über einen recht steilen Fußweg von der kleinen Ortschaft Casteil (Arrondissement Prades) aus zu erreichen.


Die frühe romanische Kunst des Mittel­meer­raumes tritt im Roussillon nicht in den Bauten des Abts Oliba in Cuxa zum ersten mal in Erscheinung, sondern in Saint-Martin du Canigou, einer Gründung der Grafenfamilie von Cerdagne. Da man es hier mit den frühesten Anfängen eines Stils zu tun hat, zeigt dieser Bau noch alle typischen Merkmale des Suchens und Experimentierens.


Aufstieg
Bis heute führt kein für den Autoverkehr ausgebauten Straße hinauf zur Abtei. Dem verdankt der Besucher einen Fußweg von 30 bis 40 Minuten, der über einen gewundenen asphal­tierten Weg steil bergan führt, zunächst in der Sonne, begleitet von vielfältigen Düften und vom Tosen des Wildbachs in der tief eingeschnittenen Schlucht. Das ergreifende Panorama der umgebenden Bergwelt begeistert den Wanderer. Nach einer Wegebiegung, die um einen Felsen herum vom Wildbach wegführt, durchquert man einen schattigen Wald von Eichen, Eschen, Esskastanien und Haselnusssträuchern.
Auf der linken Seite taucht das Gebäude einer kleinen romanischen Kirche auf, das in den Jahren 1978/79 Dom Chabannes aus den eingestürzten Mauern wieder errichten ließ. Die alte romanisch Kirche war unter dem Namen Saint-Martin le vieux bekannt. Sie besaß ein Längsschiff mit im Grundriss halbkreisförmiger Chorapsis und zwei seitlichen Anbauten, die eine Art unechtes Querschiff bilden. Ähnlich der Abteikirche weist diese einen an das Lang­haus seitlich angelehnten quadratischen Glockenturm auf, mit je zwei rundbogigen Schallluken auf zwei gegenüberliegenden Seiten und einen Zinnenkranz aus je einer ganzen und zwei halben spitzen Zinnen auf jeder Turmseite. Vielleicht war diese Kirche ursprünglich als Begräbnisstätte für die Mönche gedacht, da sich auf dem Felsplateau, auf dem sich die Abtei erhob, kaum Platz war, dort ihre Toten zu begraben.
Etwas abseits davon, auf der rechten Seite des Weges, erinnert die Süßwasserquelle La Font del Comte an den Klostergründer, den Grafen Guifred, der das weltliche Leben zuguns­ten eines Klosterlebens aufgegeben hatte. Aus den Worten, mit denen die Mönche sein Hinscheiden den anderen Klöstern, mit denen sie brüderliche Beziehungen unterhielten, mitteilten, klingen Dankbarkeit und Mitgefühl:
„Derjenige, der einst als Fürst unserer Heimat strahlte, den Italien, Gallien und Spanien kannten, gab die weltlichen Ehren, seine Gemahlin und seine Kinder auf, um Laienbruder in unserer Mitte zu werden und mit uns arm in Christo zu sein. Er führte unter uns ein so tätiges Leben, dass man es nicht in Wort und Schrift ausdrücken kann, wieviel Gutes er für uns getan hat. Denn er war unser Retter in der Not und stand uns bei, soweit es in seinen Kräften stand. Für die Alten war er wie ein Stab, auf den sie sich stützen konnten, für die Jungen war er wie ein Vater für seine Söhne.“